Insolvenzverfahren - Wann macht es Sinn?

Insolvenzverfahren

Was ist ein Insolvenzverfahren und was ist der Zweck

Der Zweck des Insolvenzverfahrens ist es, die Forderungen der Gläubiger durch Verwertung des Vermögens des Schuldners zu erfüllen (§1 Satz 1 InsO). Grundlage bildet die Insolvenzordnung (InsO) in der aktuellen Fassung mit Stand vom 21.04.2018. Mit anderen Worten, es soll dem Gläubiger helfen, an seine Forderungen zu kommen und dem Schuldner helfen, seine Forderungen gegenüber dem Gläubiger zu begleichen.

Neben der Befriedigung der Gläubiger dient das Insolvenzverfahren bei natürlichen Personen (Privatinsolvenz) auch dazu, diesen die Möglichkeit eines wirtschaftlichen Neuanfangs zu ermöglichen. Es wird eine anschließende Restschuldbefreiung angestrebt, die den Schuldner von seinen noch ausstehenden Verbindlichkeiten befreien soll, die nach Verfahrensbeendigung darüber hinaus bestehen können. (§201 InsO)

Ein wenig zur Historie des Insolvenzverfahrens

Die Insolvenzordnung in Ihrer heutigen Form trat am 1. Januar 1999 in Kraft. Um den Verbraucher zu schützen, aber auch als Motivation seine Schulden den Gläubigern gegenüber zu begleichen, führte der Gesetzgeber die Restschuldbefreiung ein. Bis 2010 erreichte die Zahl der gestellten Anträge einen Höchststand von ca. 168.000, von denen ca. 106.000 auf die Verbraucherinsolvenz entfallen. Seitdem sind die Zahlen leicht rückläufig.

Jahr

Anträge
insgesamt

davon
Unternehmen

Verbraucher

1998

33.977

27.828

0

1999

34.038

26.476

1.634

2000

42.259

28.235

6.886

2001

49.326

32.278

9.070

2002

84.428

37.579

19.857

2003

100.723

39.320

32.131

2004

118.274

39.213

47.230

2005

136.554

36.843

66.945

2006

161.430

34.137

94.389

2007

164.597

29.160

103.085

2008

155.202

29.291

95.730

2009

162.907

32.687

98.776

2010

168.485

31.998

106.290

2011

159.418

30.099

101.069

2012

150.298

28.297

97.608

2013

141.332

25.995

91.200

2014

134.871

24.085

86.298

2015

127.438

23.101

80.146

2016

122.514

21.518

77.238

2017

115.632

20.093

71.896

Quelle: Statistisches Bundesamt, 2022 - Insolvenzen nach Jahren

 

Ablauf des Insolvenzverfahrens

Ohne Antrag kein Insolvenzverfahren. Das Insolvenzverfahren wird gemäß §13 Abs. 1 Satz 1 InsO nur auf Antrag eingeleitet. Der Antrag kann vom Schuldner sowie einem Gläubiger gestellt werden.

Die Insolvenzgründe

Zur Eröffnung der Insolvenzverfahrens ist ein Insolvenzgrund erforderlich. Die Insolvenzordnung sieht 3 Gründe vor

17 InsO, Zahlungsunfähigkeit
18 InsO, Drohende Zahlungsunfähigkeit
19 InsO, Überschuldung

 

17 InsO, Zahlungsunfähigkeit

Nach §17 Abs. 2 Satz 1 InsO ist die Zahlungsunfähigkeit als die Unfähigkeit , die eigenen Verbindlichkeiten zu erfüllen definiert. Mit Zahlungsunfähigkeit ist damit die Unfähigkeit eines Schuldners gemeint, seine Zahlungspflichten zu erfüllen oder wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.

18 InsO, Drohende Zahlungsunfähigkeit

Der Schuldner kann einen Antrag nach §18 InsO stellen. Es soll den Schuldner motivieren, möglichst früh den Insolvenzantrag zu stellen. Den Gläubigern ist dieser Grund versperrt, um zu verhindern, dass der Schuldner dadurch zusätzlich unter Druck gesetzt wird.

Der Antrag ist begründet, wenn nach §18 Abs. 2 der Schuldner innerhalb eines überschaubaren Zeitraums seine Verbindlichkeiten nicht erfüllen kann. Der Zeitraum ist nicht gesetzlich definiert. Nur etwa 1 % aller Anträge entfallen auf diesen Eröffnungsgrund.

Der Eröffnungsgrund der „Drohenden Zahlungsunfähigkeit“ kann eine Hilfestellung für Unternehmen sein, die aufgrund besonderer Umstände – Ausfall von wesentlichen Forderungen, Wegfall von Märkten etc. – in einer absehbaren Zeit in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. In solchen Fällen sollte nicht abgewartet werden, bis die Zahlungsunfähigkeit eintritt, sondern das Unternehmen sollte bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt in der Lage sein, zu handeln und Dritte einzuschalten.

19 InsO, Überschuldung

Nach §19 Abs. 2 Satz 1 InsO ist die Überschuldung gegeben, wenn das Vermögen des Schuldners nicht ausreicht, die bestehenden Verbindlichkeiten zu decken.

Eröffnungsbeschluss

Das Gericht beschließt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, wenn die Eröffnungsvoraussetzungen gegeben sind. Der Beschluss wird gemäß §30 Abs. 1 InsO sofort bekannt gemacht.

Während des Insolvenzverfahrens verpflichtet sich der Schuldner, sein pfändbares Vermögen und Einkommen durch eine Abtretungserklärung dem Insolvenzverwalter zur Verfügung zu stellen (§ 287 Abs. 2 InsO). Die Pfändungsgrenze und die Freigrenze werden durch die Vorschriften der ZPO (Zivilprozessordnung) geregelt.

Mangels Masse abgelehnt gehört der Vergangenheit an

Die meisten Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurden in der Vergangenheit mangels Masse abgelehnt, d. h. die Vermögensmasse reichte nicht aus, die Kosten des Verfahrens zu decken. Aufgrund der neuen Stundungsregel für die Kosten, ist das aktuell kein wesentlicher Grund mehr eine Eröffnung des Insolvenzverfahrens abzulehnen.

Regelinsolvenz - die eigentliche Verfahrensform

Die Regelinsolvenz ist die eigentliche Verfahrensform für Selbstständige und ehemalige Selbstständige, die mehr als 19 Gläubiger, offene Sozialversicherungsbeiträge und / oder ausstehende Löhne haben.

Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens setzt voraus, dass einer der o.g. gesetzlichen Eröffnungsgründe vorliegt. Häufigster und wichtigster Eröffnungsgrund ist die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners (§ 17 InsO).

Verbraucherinsolvenz - das vereinfachte Insolvenzverfahren

Die Verbraucherinsolvenz ist eine vereinfachte Verfahrensform für Verbraucher und Kleingewerbetreibende nach §304 Abs. 1 Satz 2 InsO. Hierzu zählen auch ehemalige Selbstständige, welche zum Zeitpunkt der Antragstellung weniger als 20 Gläubiger haben und keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen.

Als erster Schritt wird ein außergerichtlicher Einigungsversuch zwischen Gläubiger und Schuldner auf Basis eines Schuldenbereinigungsplans angestrebt. Im Falle des Scheiterns wird ein gerichtlicher Einigungsversuch beantragt. Scheitert auch dieser, kommt es zur Eröffnung des vereinfachten Insolvenzverfahrens.

Gerichtliches Schuldenbereinigungsplanverfahren

Wenn das Gericht eine Einigung ohne das langjährige Verfahren für aussichtsreich hält, wird das Gericht den Gläubigern den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens beigefügten Schuldenbereinigungsplan noch einmal vorlegen und um Zustimmung ersuchen.

Der bei Gericht eingereichte Schuldenbereinigungsplan kann sich in allen Punkten von dem im außergerichtlichen Einigungsversuch verwandten Plan unterscheiden.

Sofern das Gericht den Plan nochmals vorlegt, haben die Gläubiger also die Möglichkeit, innerhalb eines Monats sich dazu zu äußern.

Da auch im gerichtlichen Verfahren der Schuldenbereinigungsplan nur einstimmig durch die Gläubiger angenommen werden kann, hat das Gericht auf Antrag des Schuldners oder eines Gläubigers die Möglichkeit, die Zustimmung einzelner Gläubiger zu ersetzen, wenn zumindest die sogenannte „doppelte Mehrheit“ für den Plan bereits besteht (§ 309 InsO).

Unter doppelter Mehrheit versteht man, dass mehr als die Hälfte der Gläubiger und mehr als die Hälfte des Kapitals, dem Plan bereits zugestimmt haben.

Kann keine Einigung über den Plan erzielt werden, oder ersetzt das Gericht die fehlende Zustimmung eines oder mehrere Gläubiger nicht, wird das Insolvenzverfahren von Amts wegen wieder aufgenommen.

Im Anschluss an das Insolvenzverfahren kann dann die Restschuldbefreiung erfolgen.

Das Restschuldbefreiungsverfahren

Das Verfahren zur Restschuldbefreiung beginnt mit dem Antrag des Schuldners (§287 InsO). Das Gericht kann auf Antrag eines Insolvenzgläubigers die Restschuldbefreiung nach §290 InsO versagen, wenn der Schuldner wegen einer Insolvenzstraftat (§§ 283 – 283c StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist (vgl. Bankrott), vor Eröffnung falsche Angeben gemacht hat, während des Verfahrens Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten verletzt hat.

Andernfalls stellt das Gericht fest, dass der Schuldner bei entsprechendem Verhalten Restschuldbefreiung erlangt.

Erteilung der Restschuldbefreiung

Ist die regelmäßige Abtretungsfrist verstrichen, urteilt das Gericht über die Erteilung der Restschuldbefreiung (§ 300 Abs. 1 InsO).

Wirkung der Restschuldbefreiung

Die Wirkung der Restschuldbefreiung ist in § 301 InsO geregelt. Wichtig ist dabei vor allem, dass die Befreiung gegenüber allen Insolvenzgläubigern (also Gläubigern, deren Forderung zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens schon bestanden hat) gilt, also unabhängig von deren Teilnahme am Insolvenzverfahren.

Versagung der Restschuldbefreiung

Nach § 290 InsO ist die Restschuldbefreiung zu versagen, wenn dies im Schlusstermin von einem Insolvenzgläubiger beantragt worden ist und wenn der Schuldner u.a. wegen einer Straftat nach §§ 283, 283c StGB verurteilt wurde, falsche Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen gemacht hat, gegen seine Mitwirkungspflichten verstoßen hat.

Versagungsgründe nach § 290 InsO können nur im Schlusstermin oder bis zur Entscheidung nach § 211 Abs. 1 InsO geltend gemacht werden; für das sich anschließende Restschuldbefreiungsverfahren sind sie bedeutungslos.

Bitte beachte, dass es sich hierbei nur um allgemeine Hinweise handelt, die auf keinen Fall eine Rechtsberatung durch einen Anwalt oder eine andere Rechtsberatungsstelle ersetzen. Dies ist eine reine Informationsseite und stellt keine Tätigkeit der Schuldnerberatung Vitovec dar.

 

Quellen:
Wikipedia
dejure.org
Statistisches Bundesamt, 2022 - Insolvenzen nach Jahren